Hallendach hängt durch - Bürgerinitiativen wenden sich an die Atomaufsicht
An den Seitenwänden und der Decke der Ahauser Lagerhalle für Atommüll haben sich jetzt gravierende Mängel in der Statik gezeigt, die zu einem Auseinanderdriften der Wände geführt haben. Als Folge davon hat sich im Deckenbereich eine 2 – 3 cm tiefe Pfütze gebildet, da das Hallendach offenkundig durchhängt. Damit dieser Prozess sich nicht fortsetzt, wurden nun Drahtseile von einer Wand zur anderen gespannt.
Mit diesem Sachverhalt, über den die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ kürzlich unterrichtet worden war, haben mehrere Bürgerinitiativen jetzt in einem Brief die NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur konfrontiert, die zugleich Chefin der NRW-Atomaufsicht ist. Die Initiativen wollen wissen, ob diese gravierenden Vorgänge am Atommüll-Lager in Ahaus der NRW-Atomaufsicht bekannt sind, wie sie sie bewertet und welche Maßnahmen ggf. vorgesehen oder schon ergriffen worden sind.
„Dass das Ahauser Lager mit seinen Wand- und Deckenstärken von nur 20 – 30 cm im oberen Hallenbereich heutigen Sicherheitsanforderungen nicht mehr entspricht, haben wir schon seit vielen Jahren immer wieder kritisiert. Alle später errichteten Zwischenlager weisen erheblich dickeres Mauerwerk auf, das zuletzt in Bau befindliche in Lubmin sogar bis zum 180 cm“, so BI-Sprecher Felix Ruwe, „wir fordern deshalb insbesondere im Hinblick auf die drohende Langzeitlagerung von Atommüll in Ahaus den Neubau eines erheblich robusteren Gebäudes.“
„Unter den gegebenen Umständen ist jeglicher weitere Antransport von hochradioaktivem Atommüll, wie er aus Jülich und Garching geplant ist, unverantwortlich“, so Matthias Eickhoff (SOFA Münster). „Ministerin Neubaur muss sich ernsthaft fragen, ob unter den gegebenen Umständen nicht eine Räumungsverfügung für das Ahauser Lager angeordnet werden muss, wie sie für das Atommüll-Lager in Jülich bereits seit 10 Jahren besteht!“
Update 09. Januar: Die BGZ widerspricht unseren Aussagen: Es gebe keine statischen Probleme, die Stahlseile seien bereits 2018 gespannt worden, um die Deckenkonstruktion mit Hilfe einer "Stützenkopfverspannung" gegen Angriffe von außen zu verstärken. Die BI Ahaus wartet die Antwort von NRW-Ministerin Neubaur ab.
Update 10. Januar: In einem WDR-Nachrichtenbeitrag (auch in der Lokalzeit Münsterland am 9.1. abends) wurde folgende Erklärung des MWIKE eingeblendet:
"Statische Mängel an der Hallenkonstruktion wurden [...] in einem frühen Stadium festgestellt und sind längst beseitigt: Im Jahr 2018 wurde der Einbau einer Stützenkopfverspannung der Dachkonstruktion durch die Betreiberin gegenüber der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde beantragt. [...] Die bauliche Maßnahme wurde im Jahr 2020 [...] fachgerecht abgeschlossen."
(Quelle: Ministerium für Energie NRW)
Der Beitrag ist abrufbar unter https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/mahnwache-atommuell-ahaus-proteste-100.html, das entsprechende Zitat findet sich ab ca. 1:48 Min.
Das bedeutet, es wird deutlich gesagt, dass die Arbeiten an der Deckenkonstruktion wegen statischer Mängel erfolgten, nicht wegen der im selben Zeitraum stattfindenden Maßnahmen im unteren Bereich der Hallenwand zum Schutz gegen Angriffe von außen!
Brief an die NRW-Wirtschaftsministerin und Chefin der NRW-Atomaufsicht Mona Neubaur
BI "Kein Atommüll in Ahaus" e. V.
SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster
Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen
An die
Ministerin für Wirtschaft, Industrie,
Klimaschutz und Energie
des Landes Nordrhein-Westfalen
Frau Mona Neubaur
40190 Düsseldorf
Ahaus, den 06.01.2025
Betr: Atommülllager Ahaus: Akute Sicherheitsmängel der Lagerhalle
Sehr geehrte Frau Ministerin Neubaur,
einer unserer wesentlichsten Kritikpunkte an der gegenwärtigen Form der Zwischenlagerung hochradioaktiven Mülls in Ahaus ist seit vielen Jahren die Struktur der hiesigen Lagerhalle: Deren Wände und Decke weisen im Vergleich zu allen später entwickelten Zwischenlager-Generationen eine viel zu geringe Wand- und Deckenstärke auf. Dies ist erst recht im Hinblick auf die geplante Langzeit-Zwischenlagerung inakzeptabel. Zuletzt hatten wir das in unserer „Stellungnahme zur geplanten Langzeitlagerung von hochradioaktiven Brennelementen in Ahaus“ im August 2024 formuliert, die auch Ihnen vorliegt.
Nun zeigen jüngste Ereignisse, dass unsere Bedenken viel früher als von uns erwartet traurige Realität wurden: Nach uns jetzt zugegangenen Informationen haben sich an den Seitenwänden und der Decke der Ahauser Lagerhalle gravierende Mängel in der Statik gezeigt, die zu einem Auseinanderdriften der Wände geführt haben. Die Folge davon ist, dass sich im Deckenbereich eine Mulde gebildet hat, in der sich Wasser ansammelt. Um ein weiteres Auseinanderdriften zu vermeiden, sind die Außenwände nun provisorisch durch starke Drahtseile miteinander verbunden worden. Dies zeigt ganz deutlich, dass das Gebäude schon gegenwärtig nicht mehr den Anforderungen entspricht, die an ein genehmigungsfähiges Zwischenlager gestellt werden müssten.
Dass es im oberen Hallenbereich des Ahauser Lagers Probleme gibt, ist übrigens auch dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) bekannt. Dies bestätigte der Leiter der Abteilung Genehmigungsverfahren des BASE, Dr. C. Bunzmann, bei einer telefonischen Nachfrage unsererseits am 16.12.2024.
Wir möchten Sie deshalb in Ihrer Eigenschaft als Leiterin der Atomaufsicht in Nordrhein-Westfalen fragen:
- Waren Ihnen die geschilderten Vorgänge bereits bekannt? Und wenn ja, seit wann?
- Wie bewerten Sie diese Vorkommnisse?
- Welche Maßnahmen der Atomaufsicht halten Sie in dem Zusammenhang für geboten? Welche Maßnahmen haben Sie ggf. schon veranlasst?
- Wäre unter den gegebenen Umständen nicht eine Räumungsverfügung für das Ahauser Lager geboten, wie sie bereits seit mehr als 10 Jahren für das Zwischenlager in Jülich besteht?
- Teilen Sie unsere Auffassung, dass unter den gegebenen Umständen auf keinen Fall neuer radioaktiver Atommüll (z.B. Brennelemente aus dem AVR Jülich und dem FRM II Garching) nach Ahaus gebracht werden darf?
Sehr geehrte Frau Neubaur, wir bitten baldmöglichst um eine Antwort auf unsere Fragen, noch mehr aber darum, dass angesichts der Misere um das Ahauser Atommüll-Lager die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden.
Mit freundlichen Grüßen,
i.A.:
Hartmut Liebermann, BI Ahaus
Felix Ruwe, BI Ahaus
Matthias Eickhoff, SOFA Münster
Jens Dütting, Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen