An den
Präsidenten des Bundesamts
für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE)
Herrn Christian Kühn
11513 Berlin
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Ahaus, den 26.07.2024

 

Betr.: Künftige Aufbewahrung der bestrahlten AVR-Brennelemente aus Jülich

Bezug: Unser Schreiben vom 24.01.24;
Antwort des BASE /Abteilung Genehmigungsverfahren vom 08.03.24,
GE 3 – BASE – BASE82101/7458#0013

Sehr geehrter Herr Kühn,

in unserem vorgenannten Schreiben vom 24.01.24 an Ihren Vorgänger im Amt, Herrn Wolfram König, hatten wir unsere Sorgen im Zusammenhang mit den drohenden Castor- Transporten von hochradioaktivem Atommüll aus dem AVR Jülich ins Zwischenlager Ahaus zum Ausdruck gebracht und dazu einige Fragen gestellt, die sich insbesondere auf die Probetransporte im November letzten Jahres bezogen. Unser Schreiben dürfte Ihnen bekannt sein, zur Sicherheit fügen wir es im Anhang noch einmal bei. Da sich die Bearbeitung unserer Anfragen mit dem Ausscheiden von Herrn König aus dem Amt überschnitt, erhielten wir freundlicherweise ein Antwortschreiben von Herrn Dr. Christoph Bunzmann aus Ihrer Abteilung Genehmigungsverfahren, Datum 08.03.24. Dafür bedanken wir uns, auch wenn die Antworten auf unsere Fragen im Detail wenig aussagekräftig waren. Sie waren vor allem deswegen wenig aussagekräftig, weil den Ausführungen Dr. Bunzmann zufolge das BASE in Vorbereitung und Durchführung der Probetransporte nicht involviert war, da diese nicht Bestandteil des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens seien. Auch seitens der NRW- Atomaufsichtsbehörde (Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie – MWIKE) erhielten wir zunächst keine Informationen über den Verlauf der Probetransporte, da auch das MWIKE nicht eingebunden gewesen sei.

Nach vielen Bemühungen unsererseits haben wir nunmehr mit Schreiben vom 05.07.24 durch die NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur endlich genauere Informationen über die Vorfälle bei den Probetransporten am 21./22.11.2023 erhalten, die sie ihrerseits vom NRW-Innenministerium eingeholt hatte (das Schreiben finden Sie ebenfalls im Anhang).

Die aktuellen Informationen aus Düsseldorf haben unsere Zweifel an der Sicherheit der geplanten Transporte leider erheblich verstärkt. Dem Bericht des NRW-Innenministeriums zufolge wurde bei dem Transport am 21.11. „im Bereich der Baustelle am Autobahnkreuz Kaiserberg auf der Bundesautobahn (BAB) 3 der Schwertransport streckenbedingt auseinandergezogen. Dadurch wurde der Sichtkontakt zwischen den vorweg fahrenden Begleitfahrzeugen des Schwertransportes und dem eigentlichen Schwertransportfahrzeug unterbrochen. Das Schwertransportfahrzeug verblieb deshalb auf der BAB 3 und wechselte nicht planmäßig auf die BAB 40. Da die Streckenführung zwingend einzuhalten ist, musste das Schwertransportfahrzeug zurücksetzen und auf die BAB 40 geführt werden. Dieser Umstand führte zu einem Aufstocken des gesamten Schwertransportes, wodurch es kurzzeitig zu einer Staulage hinter dem Schwertransport kam. Der Verkehr hinter dem Schwertransport wurde auf die BAB 40 abgeleitet und anschließend mit der Rückführung des Schwertransportfahrzeuges zur Abfahrt der BAB 40 begonnen. Die Fahrbahn in Fahrtrichtung Richtung Norden der BAB 3 wurde für die Zeit der Ableitung und Rückführung komplett gesperrt (Dauer insgesamt ca. 30 Minuten).“

Abgesehen von den damit verbundenen Verkehrsbeeinträchtigungen stellen sich für uns in dem Zusammenhang mehrere dringende Fragen bezüglich des Verfahrens zur Erteilung einer Transportgenehmigung für die 152 Castor-Behälter mit rund 300 000 Brennelementkugeln aus Jülich über die Autobahnen von NRW ins Atommüll-Lager Ahaus:

  1. Wie kann es sein, dass in einem eigens zum Schutz des Castor-LKW gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD) zusammengestellten Polizei-Konvoi plötzlich der Sichtkontakt zwischen dem Transportfahrzeug und den vorausfahrenden Begleitfahrzeugen verloren geht?
  2. Und wenn dies schon passiert: Hatte der Fahrer des Castor-LKWs keine Kenntnis von der vorgegebenen Transportroute? Hatte er kein eigenes Navigationssystem und kein Funkgerät zur Kontaktaufnahme mit den Begleitfahrzeugen zur Verfügung? Und gab es eigentlich einen Begleitfahrer?
  3. Was wäre gewesen, wenn im Ernstfall (also bei einem mit hochradioaktiven Brennelementen beladenen Transportfahrzeug) der Sichtkontakt verloren gegangen wäre? Wäre der Transporter dann inmitten eines unübersichtlichen Autobahnkreuzes ungeschützt von vorausfahrenden Polizeikräften gewesen?
  4. Welche Rolle spielten eigentlich die Begleitfahrzeuge des Transport-Unternehmens Orano NCS GmbH bei der Panne?
  5. Wie viele hundert Meter waren die voraus fahrenden Polizeikräfte im Bereich des Autobahnkreuzes Kaiserberg bereits enteilt? Haben auch diese vorausfahrenden Polizeifahrzeuge zurücksetzen müssen?
  6. Gerade ein solches Autobahnkreuz wie auch Baustellen sind ein besonders gefährdeter Ort, die besondere Sicherungsmaßnahmen erwarten ließen. Dazu gehört unseres Erachtens zum Beispiel die seitliche Abschirmung des Castor-LKWs durch Polizeikräfte. Aus der Stellungnahme des NRW-Innenministeriums geht hervor, dass diese offensichtlich nicht vorhanden waren, sodass unserer Ansicht nach die Sicherheit des Castor-LKWs in all diesen Streckenabschnitten grundsätzlich nicht in ausreichendem Umfang gegeben war. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu?
  7. Welchen Einfluss hat das BASE auf die Streckenführung bei eventuellen Castor- Transporten mit beladenen Behältern und welche anderen Instanzen sind dabei eventuell beteiligt?

    Abgesehen von diesen Fragen, die unmittelbar aus dem Bericht des Innenministeriums über die Pannen im November 2023 resultieren, möchten wir noch einige weitere Fragen anschließen, die an uns von verschiedenen Seiten herangetragen worden sind:

  8. Stimmt es, dass die Zugmaschine des Transportfahrzeugs und der Begleitfahrzeuge keine schusssicheren Scheiben zum Schutz des Fahrers hatten?
  9. Stimmt es, dass es keine Panzerung des Transportfahrzeugs und der Begleitfahrzeuge gab?
  10. Stimmt es, dass weder die Zugmaschine noch die Begleitfahrzeuge durch Run O Flat- Technik gesichert waren?
  11. Falls diese oder ein Teil dieser Fragen mit „ja“ beantwortet werden: Wird dies im Fall einer Genehmigung bei den Transporten mit beladenen Castor-Behältern anders sein?
  12. Welchen Einfluss hat das BASE auf die bei einem Transport mit beladenen Castor- Behältern auf einzuhaltende Sicherungsmaßnahmen (wie z.B. die seitliche Abschirmung des Transports)?

Sehr geehrter Herr Kühn, dem Schreiben von Dr. Bunzmann zufolge hatte das BASE im März 2024 keinerlei Informationen über die Probetransporte vom November 2023. Auch nach Bekanntwerden des Berichts aus dem NRW-Innenministerium gab sich das BASE immer noch völlig ahnungslos hinsichtlich der dort geschilderten Vorfälle (vgl. TAZ vom 18.07.24). Es ist für uns aber kaum vorstellbar und auch nicht akzeptabel, dass die Erkenntnisse aus solchen Probetransporten nicht in ein Genehmigungsverfahren mit einfließen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es wie im vorliegenden Fall offenkundig zu gravierenden Mängeln und Pannen gekommen ist, die zumindest die Sicherung der Transporte beeinträchtigt haben. Und dies angesichts einer Projektplanung, der zufolge 152 Mal hochradioaktiver Atommüll mitten durch dichtbesiedelte Gebiete von NRW transportiert werden soll. Darüber hinaus ist es auch erschreckend für uns, dass dem Bericht des NRW- Innenministeriums zufolge, den Frau Neubaur in ihrem Schreiben vom 05.07.24 zitiert, seitens des Innenministeriums die Vorfälle bei den Probetransporten vom 21./22.11.23 offenkundig nicht einmal als Problem angesehen werden, sondern als ein quasi alltägliches Ereignis, das durch die Polizei routinemäßig abgesichert und behoben worden sei. Auch Frau Neubaur selbst lässt in Ihrem Schreiben vom 05.07.24 keinerlei kritische Distanz zu den Vorfällen erkennen, und das als Verantwortliche der Atomaufsicht! Kann es wirklich sein, dass es weder durch die Genehmigungsbehörde noch durch die Atomaufsicht zu einer kritischen Auswertung der durchgeführten Probetransporte kommt?

Die Vorfälle bei den Probetransporten im November 2023 und die nachfolgenden Korrespondenzen mit Ihrer Behörde sowie dem MWIKE NRW haben unsere Sorgen vor den drohenden 152 Castor-Transporten quer durch Nordrhein-Westfalen von Jülich nach Ahaus verstärkt. Wir möchten auch an dieser Stelle eindringlich vor der Erteilung einer Genehmigung warnen, zumal diese Transporte vollkommen überflüssig sind, weil es Alternativen dazu vor Ort in Jülich gäbe. Wir hoffen, dass wir in dem von Ihnen mit Schreiben vom 28.06.24 zugesagten Gespräch mit unserer Bürgerinitiative über die aufgeworfenen Fragestellungen sprechen können und sie dem Gespräch nicht durch eine vorher erteilte Transportgenehmigung den Boden entziehen.

Mit freundlichem Gruß,

Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“
i.A.: Hartmut Liebermann
Felix Ruwe

 


 

Zur Einordung finden Sie die im Text genannten Dokumente nachstehend als Downloads (PDF):

Schreiben an BASE Januar 2024 | Antwortschreiben auf das Januar-Schreiben

 


 

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