Die Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" ist extrem besorgt wegen der geplanten Einstufung der Atomenergie in der von der EU-Kommission vorgelegten Taxonomie als "nachhaltige Energiequelle". Sie hat sich daher in einem Schreiben an den Abgeordneten des Münsterlandes im Europäischen Parlament, Dr. Markus Pieper, gewandt mit der dringenden Bitte, der Verwirklichung dieser Pläne entgegen zu treten.

Das Schreiben mit ausführlicher Begründung unseres Ansinnens:

Herrn
Dr. Markus Pieper
Europabüro Münster
Mauritiusstr. 4 – 6
48143 Münster
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Ahaus, den 06.01.2022

Sehr geehrter Herr Dr. Pieper,

wir wenden uns heute an Sie als den für unseren Bereich zuständigen Wahlkreisabgeordneten im Europäischen Parlament, weil uns die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zum Thema „Taxonomie“ mit großer Sorge erfüllen:

Die im Jahr 2020 von der EU beschlossene Taxonomie-Verordnung sollte ein politisches Werkzeug zur Bewertung der Nachhaltigkeit von EU-Investitionen sein. Die EU-Kommission will nun in ihrem am Neujahrstag 2022 bekannt gegebenen Taxonomie-Vorschlag Atomenergie als „nachhaltig“ klassifizieren. Das hätte zur Folge, dass private Investitionen in diese Technologie gelenkt und ihre staatliche Förderung gebilligt würde. Sollte dieser Vorschlag durchkommen, hätte das fatale Folgen, denn Atomkraft ist in keiner Weise nachhaltig:

  • Der hochradioaktive Atommüll, der bei der Stromerzeugung durch Atomenergie in jeglicher Form entsteht, wird für Jahrtausende eine strahlende Erblast für kommende Generationen darstellen. Eine Lösung seiner dauerhaften Beseitigung („Endlagerung“) existiert trotz jahrzehntelanger Bemühungen bis heute weltweit nicht. Es gibt lediglich Konzepte, die bestenfalls in Jahrzehnten greifen würden, deren Realisierung aber keinesfalls gesichert ist.
  • Gravierende Unfälle mit unermesslichen Schäden, die ganze Regionen dauerhaft unbewohnbar machen, können nicht ausgeschlossen werden. Es ist kein Zufall, dass keine Versicherung weltweit bereit ist, Schäden aus der Nutzung von Atomenergie abzusichern.
  • Atomenergie ist auch nicht CO2-neutral, wie von ihren Befürwortern gerne behauptet wird – jedenfalls dann nicht, wenn man alle Schritte vom Uranbergbau über die Anreicherung und Brennelementfertigung bis zum Kraftwerksbetrieb mitberücksichtigt.
  • Zwar ist die CO2-Produktion der Atomenergie immerhin niedriger als die von fossilen Energieträgern, dennoch stellt sie auch in einer Übergangsphase keine brauchbare Ergänzung zu den regenerativen Energieträgern dar: Diese benötigen zwar in der gegenwärtigen Phase, in der die Speicherung ihrer Energie noch nicht hinreichend ausgereift ist, temporäre Unterstützung anderer Energieträger, jedoch ist die Atomenergie dafür am allerwenigsten geeignet: Atomreaktoren sind unter allen Kraftwerken am unflexibelsten, weil sie nicht schnell und nur sehr begrenzt regelbar sind (anders als z.B. Gaskraftwerke). Genau das aber wäre nötig, um schwankende Energieerzeugung durch Wind oder Sonne auszugleichen. In der Realität ist es aber so, dass laufende Atomkraftwerke immer wieder zum Abschalten regenerativer Stromerzeuger zwingen, weil sie mit ihrer gleichbleibend hohen Stromproduktion die Leitungen verstopfen. Sie blockieren damit Nutzung und Entwicklung regenerativer Stromerzeuger, anstatt sie zu unterstützen.
  • Der Bau neuer Atomkraftwerke kann auch deshalb keine Perspektive für eine Übergangszeit darstellen, weil Planung und Bau solcher Anlagen viel zu lange dauert, 10 - 30 Jahre und mehr. Dies gilt auch für die neuerdings gerne in die Diskussion gebrachten „kleinen Reaktoren“, es gilt erst recht für neue Reaktorkonzepte, die bisher nur auf dem Papier existieren und frühestens ab dem Jahr 2040 zur Verfügung stehen, wenn überhaupt. Für die notwendige Umstellung auf klimafreundliche Energiegewinnung kämen solche Projekte viel zu spät.
  • Darüber hinaus ist Atomenergie heute mit Abstand die teuerste Methode der Stromerzeugung. Private Investoren bauen Atomkraftwerke nur noch dort, wo sie mit massiver staatlicher Förderung rechnen können, weil Erhalt oder Ausbau der Atomenergie aus politischen und/oder militärischen Motiven erwünscht ist. Das Paradebeispiel dafür ist Hinkley Point in England, das mit über 100 Mrd. € staatlich subventioniert wird. Genau solche unsinnigen staatlichen Förderungen würden durch die Einstufung der Atomenergie als „nachhaltig“ gefördert. Und die Gelder, die für diesen Sektor verschwendet werden würden, fehlen dann bei der dringend nötigen Förderung und Entwicklung der regenerativen Energiequellen.
  • Auch das gerne als Musterbeispiel für die Vorteile der Atomenergie genannte Frankreich taugt bei genauerem Hinsehen nichts: Die angebliche Zuverlässigkeit der dortigen Anlagen ist nämlich keineswegs gegeben. So war in den trockenen Sommern 2019 und 2020 bei vielen französischen AKW wegen fehlender Wasserführung in den Flüssen die Kühlung gefährdet, weshalb sie drastisch heruntergefahren werden mussten – mit der Folge, dass Strom aus Deutschland importiert werden musste. Und Ende 2021 waren 30% der französischen Atomkraftwerke abgeschaltet, weil sie völlig marode sind oder dringend gewartet werden müssen; zwei Kraftwerke mussten im Dezember 2021 wegen Rissen in kritischen Bereichen vorläufig stillgelegt werden. Man darf daher gespannt sein, wie sich die Stromversorgung Frankreichs in den kalten Wintermonaten gestalten wird, zumal dort vielfach die Heizenergie aus Strom gewonnen wird.

Fazit: Atomenergie ist gefährlich, teuer, alles andere als nachhaltig und bremst die Entwicklung wirklich nachhaltiger Stromerzeugung aus. Deshalb dürfen die Pläne der EU-Kommission keinesfalls umgesetzt werden!

Wir bitten daher Sie als für unsere Region zuständigen Wahlkreisabgeordneten im Europäischen Parlament, alle Ihnen möglichen Schritte zu unternehmen, die die Verwirklichung dieser Pläne verhindern!

Mit freundlichen Grüßen,

Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“
i.A.: Hartmut Liebermann

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